Geschichte – ein Überblick der wichtigsten Ereignisse von Sardinien

Geschichte

Die strategisch vorteilhafte Lage im Mittelmeer sowie Bodenschätze, Wälder, fruchtbare Ländereien und Gewässer haben Sardinien seit jeher zu einem beliebten Zielobjekt seitens unterschiedlicher Eroberer definiert.

Die frühgeschichtlichen Aspekte – Neolitikum, Nuraghen-Kultur, Phönizier, Karthager und Römer – werden unter dem Kapitel Archäologie angesprochen.
Im Folgenden finden Sie einen kurzen Abriss der Geschichte Sardiniens ab dem Niedergang des Weströmischen Reiches bis zur Eingliederung in das heutige Italien. Wechselnde Eroberungsmächte sind der rote Faden mit nur einer selbstbestimmten, aber ausgesprochen wichtigen sardischen Geschichtsphase.

Mit dem Niedergang des Weströmischen Reiches erobern die Vandalen Sardinien und führen es mit militärischer Macht vom Jahr 456 bis zum Jahr 534.

Die Byzantiner beziehungsweise das Oströmische Reich löst die Vandalen ab. Es folgt eine lange Periode der Kämpfe und der Verarmung des Landes.

Die Ostgoten und die Langobarden versuchen vergeblich die Insel zu erobern. Kontinuierliche Angriffe und Plünderungen seitens der Araber entlang der Küsten führen zu einem Rückzug der Bewohner in das Landesinnere. Es entstehen die ersten Sarazenentürme.

Das Christentum wird zwanghaft eingeführt, vor allem in der „Barbagia“ genannten Gegend, wo weiterhin die Götter der Nuraghen-Kultur verehrt wurden.

Ein auf die byzantinische Zeit zurückzuführendes und noch heute jährlich stattfindendes Reiterfest ist die S´Ardia bei Sedilo (6. und 7. Juli).

Im Jahr 832 endet offiziell diese Periode.

Es folgt eine selbstbestimmte Zeit.
Die Insel wird in vier unabhängige Gebiete, Judikate (Giudicati), mit einheimischen Richtern (Judikes) unterteilt: Arborea, Calari (Cagliari), Gallura und Torres-Logudoro.

Die Verwaltung unterscheidet sich deutlich von der europäischen, mittelalterlichen Feudalherrschaft.

Sie ist an das römisch-byzantische Rechtssystem angelehnt mit Besonderheiten aus vermutlich der Nuraghen-Kultur. Ein entscheidender Unterschied besteht in der Tatsache, dass es sich nicht um Besitzstaaten handelt, die Macht obliegt vielmehr dem Volk. Dieser drückt seine Staatshoheit in nahezu demokratischen Wahlen aus. Die Erwählten (Coronas de curatorias) wählen die Corona de Logu. Dies sind Vertreter der Justiz, Volljährigen, Verwalter und Prälaten. Die erwählten Volksvertreter werden daraufhin vom Richter ernannt und regieren mit ihm das Judikat. Die Richter führen ausschließlich Dank dem Volkskonsens (bannus consensus) und können vom Volk auch abgesetzt werden.

Im Jahr 1014 erobern die Araber unter Mudschahid schließlich große Küstengebiete Sardiniens. Aufgrund der imminenten Gefahr, die diese Besetzung für das italienische Festland bedeutet, befreien die Seerepubliken Genua und Pisa durch Vermittlung des Papstes Benedikt VIII. Sardinien im Jahr 1016 von den Arabern und vollziehen den ersten Schritt für die eigene Eroberung Sardiniens.

Im Jahr 1239 beurkundet auch der Staufer und König von Sizilien Friedrich II. sein Interesse an der Insel und ernennt seinen unehelichen Sohn Enzio zum König von Sardinien. Dessen Macht hält nur zehn Jahre an, der Titel bleibt der Insel aber bis zur Eingliederung in das Königreich Italien im Jahre 1861 erhalten. 

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts sind die Judikate Calari und Gallura komplett in pisanischer Hand, das Judikat Torres-Logudoro gehört den genuesischen Herrscherfamilien Doria und Malaspina. Allein das Judikat Arborea ist noch selbständig.

Um den Streit über die Herrschaft Siziliens zwischen dem Haus Anjou – einer Nebenlinie des französischen Königshauses – und dem Königreich von Aragon zu schlichten, sowie seine eigene Macht zu stärken, erschafft Papst Bonifatius VIII. im Jahr 1297 das Königreich Sardinien und Korsika (Regnum Sardiniae et Corsicae).

Mit der päpstlichen Bulle überträgt er dem aragonesischen König Jakob II. das „ius invadendi“, das Recht in Sardinien und Korsika einzudringen und sie zu erobern.

Die Eroberungsversuche Korsikas scheitern.

In Sardinien verbündet sich aber das Judikat Arborea mit dem Königreich von Aragon. Es erhofft sich die Befreiung von der pisanischen Herrschaft und zielt auf eine Vereinigung ganz Sardiniens unter der eigenen Flagge ab.
Die Pisaner unterliegen schließlich im Jahr 1324, doch das Königreich von Aragon möchte die Insel selbst beherrschen.

Ein langer Krieg mit dem Judikat Arborea ist die Folge.

Im Jahr 1395 erlässt die herrschende Richterin Eleonora d´Arborea die auf sardisch geschriebene und somit für alle verständliche Sammlung an Rechtstexten – die sogenannte Carta de Logu (hierbei stützt sie sich auch auf die Gesetzesentwürfe ihres Vaters Mariano IV. d´Arborea).

Diese Rechtssammlung verdeutlicht die sardische Auffassung des Staates sowie eine außerordentliche Auffassung des Rechts und der Person. Römisch-byzantinische Einflüsse sind erkennbar. Für die Zeit ist die Sammlung von unglaublicher Fortschrittlichkeit. Sie enthält sowohl Bürger- als auch Landwirtschaftsrecht und wird als bedeutende Etappe in Richtung der Gleichberechtigung anerkannt.

Diese Gesetze sind bis zum Jahre 1827 gültig.    

Die vernichtende Schlacht bei Sanluri (battaglia di Sanluri, sie wird alle zwei Jahre im Juni in perfekter Kostümierung nachgespielt) im Jahr 1409 ist nicht nur ein immenser Verlust an Menschenleben und materiellen Werte, sie ist auch das Ende des Traumes einer selbstbestimmten Vereinigung.

Ein Jahr später, 1410, unterzeichnet das letzte Judikat Sardiniens, Arborea, die definitive Niederlage.  

Wenig später wurde das Königreich von Aragon Teil der spanischen Krone und mit ihm auch Sardinien.

Die umstrittene Phase zwischen Aragon und Spanien, die Tatsache, Sardinien ausschließlich als Geldtresor mittels hoher Steuerzahlungen zu sehen, willkürlich Monopol-Stellungen der Macht und Privilegien an spanische Herrscher zu verteilen, schlägt sich deutlich auf die Bevölkerung nieder.

Jeglicher Besitz wurde konfisziert, der bis zu dem Zeitpunkt gelebte ökonomische, kulturelle und soziale Wandel völlig gestoppt.

Historikern zufolge ist die Zeit unter aragonesischer und dann spanischer Herrschaft die schlimmste Geschichtsphase der Insel. Während der Rest Europas sich der Renaissance zubewegt, wird Sardinien in ein neues, dunkleres Mittelalter verbannt.  
Im Zuge der Einführung eigener Kulturlinien werden die Einwohner der Stadt Alghero, im Nordwesten der Insel, vertrieben und durch katalanische Siedler ersetzt. Bis heute sind die Straßennamen zweisprachig, italienisch und katalanisch, die Bevölkerung spricht weiterhin Katalanisch.

Ein eklatantes Zitat stammt aus dem Jahr 1481 und 1511: Die Katalaner fordern dem König gegenüber die Bestätigung alter Rechte und Privilegien, die ihnen zustanden um „tenir appretada e sotmesa la naciò sarda” (die sardische Nation bedürftig und unterworfen zu halten).

Als Ende des 16. Jahrhunderts die spanische Krone die nordafrikanische Stadt Tunis an die Sarazenen verliert, gewinnt Sardinien für die Spanier an Bedeutung in der Verteidigung der christlichen Welt gegen die osmanische Expansion.
Zahlreiche Sarazenentürme werden in dieser Zeit gegen die ständigen Piratenüberfälle erbaut.
Auch die Franzosen versuchen die Insel mehrmals zu erobern, aber erfolglos.

Inmitten des Spanischen Erbfolgekrieges lässt König Karl der österreichischen Habsburger Linie, Cagliari besetzen und beendet somit die lange, spanische Vorherrschaft auf der Insel.
Nach diversen Kämpfen und Abkommen wird Sardinien im Jahr 1720 schließlich im Tausch gegen Sizilien von den Österreichern an das Herrscherhaus von Savoyen, Vittorio Amedeo II., abgetreten. 

Das Zentrum des neuen Königreichs Sardinien ist mit Turin als Hauptstadt auf dem Festland. Nur während der Besetzung Norditaliens seitens der Franzosen (etwa von 1799 bis 1814) regierten die sardischen Könige von Sardinien aus.
Zudem will Savoyen die Feudalprivilegien beibehalten. Dennoch werden Versuche unternommen, das Land zu modernisieren und die Umstände der Bevölkerung zu verbessern. 

Im Jahr 1793 greifen die Franzosen unter dem Kommando von Napoleon Bonaparte unterschiedliche Gebiete Sardiniens an. Die Sarden wehren in Eigenregie die Angriffe erfolgreich ab. Dies verleiht dem Volk den Mut, wieder an Selbstbestimmung zu denken. Eine Delegation der Sarden reist nach Turin, um über ein größeres Ausmaß an Rechten und Verbesserung ihrer Lebenslage zu diskutieren. Monatelange Diskussionen bleiben aber ohne Erfolg.

So springt am 28. April 1794, fünf Jahre nach der Französischen Revolution, der Rebellionsfunke endgültig auch auf Sardinien über. Die Ausweisung des Vizekönigs sowie der piemontesischen Funktionäre ist die Folge. Dem Tag wird heute noch als „Sa die de sa Sardigna“ gedenkt.

Ein Erfolg von nur kurzer Dauer. Der Weg zur kompletten Selbstbestimmung, auch mit der Unterstützung seitens der Franzosen, wird gewaltvoll militärisch unterdrückt.
Es werden aber einige von der sardischen Delegation geforderten Rechte nun eingeräumt.

Die Savoyer versuchen, die ökonomische Lage der Insel mit Edikten zu verbessern, die bis in die heutige Zeit tiefe Spuren hinterlassen haben: der Kahlschlag weiter Wälder zur Herstellung von Kohle, Bahngleisen und Schaffung von Weideland sowie das Edikt der Chiudende (siehe hierzu Nuraghe). Dieses führte zur Zerstörung vieler Turmbauten und löste teilweise das bis zu dem Zeitpunkt geltende, inseltypische Volkseigentum der Ländereien vom Privateigentum ab.  

Mit der italienischen Einigung – die als juristische Fortführung des Königreichs Sardinien gilt – wird im Jahr 1861 der König Sardiniens, Viktor Emanuel II., König von Italien.

Sardinien selbst ist lediglich eine ferne Provinz.

Erst im Jahr 1946 erhält die Region Sardinien die Autonomie und somit eine Reihe an Bestimmungsrechten.